: Fragen der Zensur
Eine „dünnhäutige“ Hertha schließt das Fanforum, weil es Schmähungen gegen den Manager enthalten habe
BERLIN taz ■ Es ist derzeit nicht viel in Ordnung bei Hertha BSC. Die Führungsgremien des Vereins haben Falko Götz zwar das Vertrauen ausgesprochen, obwohl die Mannschaft keines der letzten 13 Pflichtspiele hat gewinnen können. Was aber geschehen soll, wenn auch die nächsten Partien – am Samstag spielen die Berliner in Bremen – verloren werden, das weiß wohl derzeit keiner so genau im Management. Für viele Anhänger ist diese Situation unerträglich. Seit Wochen schimpfen sie im Internet, im Forum der Hertha – über den Trainer, die Spieler, vor allem aber über Dieter Hoeneß, den Manager. Am Dienstag hatte der Klub genug davon. Das Forum wurde aus dem Netz genommen.
„Das war nur noch Schmutz, der dort abgeladen wurde“, sagt Hans-Georg Felder, der Pressesprecher des Vereins. Er spricht von Beleidigungen und Morddrohungen, die nicht mehr zu ertragen gewesen seien. „Herr Hoeneß hat das Forum zwar nicht gelesen“, so Felder, aber man spreche natürlich über die Inhalte. „Sie können sich vorstellen, dass das Herrn Hoeneß sehr nahe geht.“ Schon vor Wochen habe man die Fans zur Mäßigung aufgefordert. Zunächst im Forum selbst. Am letzten Wochenende dann wurde die Gemeinde im Stadionheft ermahnt.
Das Forum soll bald wieder zugänglich sein. Marco Wurzbacher, der im Auftrag von Hertha BSC die Online-Diskussionen betreut hat, will es nun privat weiter betreiben. Er bezeichnet die Hertha-Führung als „extrem dünnhäutig“. Seit zwei Jahren organisiert und überwacht er alles, was von den Fans bei www.herthabsc.de ins Netz gestellt wird. Er gibt zu, dass es in den letzten Wochen immer deftiger zugegangen sei. Auch Morddrohungen habe es gegeben. Aber die seien „zeitnah entfernt“ worden. Es war seine Aufgabe, als Administrator darüber zu wachen, dass üble Ausfälle in den Äußerungen der Fans gelöscht wurden. Wurzbacher vermutet den Grund für das Abschalten des Forums in der mangelnden Fähigkeit der Vereinsführung, mit Kritik umzugehen: „Gegensätzliche Meinungen sollten nicht mehr vertreten sein.“ Das sei aber das Prinzip eines Forums. Auf den Homepages fast aller Bundesligisten könne man dies nachprüfen. Dort werde das Internet als Marktplatz unterschiedlicher Meinungen begriffen.
Nicht so bei Hertha. Wurzbacher spricht sogar von Zensur. Die finde bei Hertha nicht nur im Netz statt. Auch kritische Spruchbänder seien verboten worden. In der Kurve darf schon lange nicht mehr gezeigt werden, was die Fans wollen. In jedem Bundesligastadion müssen Transparente durch den gastgebenden Verein genehmigt werden. Hertha sortierte, so Wurzbacher, weit mehr aus als nur aufgepinselte Verbalinjurien. Beim Heimspiel gegen Köln seien mehrere Hoeneß-kritische Sprüche der Zensur zum Opfer gefallen. Donato Melillo, der als Fanbetreuer von Hertha BSC an der Schnittstelle zwischen Fans und Vereinsführung arbeitet, mag das so nicht bestätigen. Das größte Transparent vom vergangenen Wochenende, eine zwei mal 40 Meter lange Stoffbahn, sei genehmigt worden, obwohl sie alles andere als nett gewesen sei: „Manager, Trainer, Mannschaft – Wir geben alles für Hertha? Leere Worte – leere Kurve“, prangte über dem Fanblock, in dem die meisten Fans aus Protest gegen das Management erst 15 Minuten nach Anpfiff ihre Stammplätze aufgesucht haben. Für Melillo gibt es kein Demokratiedefizit bei Hertha, sagt er.
Wurzbacher hofft nun, dass die Fans beim Gastspiel in Bremen endlich zeigen können, was sie schon eine Woche vorher aufgemalt haben. Dort hat Werder Hausrecht – und wird wohl die Spruchbänder genehmigen.
ANDREAS RÜTTENAUER